» nach unten

Begegnung mit Ambra Laurenzi

Tochter und Enkelin von Ravensbrück-Überlebenden und Präsidentin des internationalen Ravensbrück-Komitees, Dokumentarfilmerin und Fotografin
80 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers

Albert-Einstein-Gymnasium, Staatliche-Europa-Schule Berlin (SESB)
5. Mai 2025

 

Ihr Onkel sei Partisan gewesen und es habe zuhause ein geheimes Treffen gegeben. Durch einen Hinweis erschien plötzlich die Gestapo und nahm alle anwesenden Familienangehörigen fest. Nach fünftägiger Fahrt in einem Transportwagen kamen die Mutter und die Großmutter von Ambra Laurenzi in Ravensbrück an. Was sie und andere Häftlinge dort im Frauenkonzentrationslager erlebten und welchen Grauen sie ausgesetzt waren, schildert die Zeitzeugin in zweiter Generation unter anderem in ihrem Dokumentarfilm „Le rose di Ravensbrück“.  

Die Schüler und Schülerinnen des SESB-Zweiges des Albert-Einstein-Gymnasiums sowie eine Schülergruppe des Wald-Gymnasium, die zu Gast war, hatten den Dokumentarfilm im Vorfeld gesehen und nun nach einer Einführung von Frau Verdi die Gelegenheit, Fragen an Ambra Laurenzi zu stellen.
Sehr eindringlich schilderte sie worin die Besonderheit des Frauen-Konzentrationslagers bestand, welchen besonderen Grausamkeiten die Frauen dort ausgesetzt waren, wie ihnen nicht nur die Identität und die Würde genommen wurden, sondern auch die Weiblichkeit.  „Niemand wird euch glauben“ – das mussten die Inhaftierten von ihren Schergen hören, als Aussicht auf eine weitere Pein – so unvorstellbar war das willkürlich zugefügte Leid: Die erschöpfende und demütigende Arbeit, die tägliche Angst ‚aussortiert‘ und getötet zu werden, der Hunger, die Kälte, die medizinischen Experimente am eigenen Leib.

„Was hat Ihrer Mutter die Kraft gegeben, durchzuhalten?“, „Wie war es möglich, danach wieder ein ‚normales Leben‘ zu führen?“, „Glauben Sie, dass heute wieder so etwas passieren könnte?“, „Wie erklärt sich das Verhalten der weiblichen Aufseherinnen gegenüber den inhaftierten Frauen?“, „Warum wurde in der Geschichtsforschung das KZ Ravensbrück erst vergleichsweise spät in den Blick genommen?“, „Ab wann war es Ihrer Mutter und den anderen möglich, darüber zu sprechen?“
Diese und viele andere Fragen beschäftigten die Schüler und Schülerinnen.

Sie stelle sich manchmal vor, beschrieb Frau Laurenzi, wie ihre Großmutter im Morgenmantel zu Hause den Abwasch machte, als die Gestapo sie festnahm. Und wie sie nach ihrer Rückkehr, mehr als einem Jahr später, wieder im Morgenmantel an derselben Stelle weiter den Abwasch machte. Eine „parentesi“ – eine Zeit außerhalb der Zeit sei es gewesen, mit so unaussprechlichen Erfahrungen, dass es sehr lange unmöglich gewesen sei, darüber zu sprechen.

Die eindringlichen Worte von Ambra Laurenzi haben die Anwesenden spüren lassen, welche Bedeutung dem gemeinsamen Erinnern zukommt, damit sich Verbrechen dieser Art nicht wiederholen. Es sei wichtig, immer wieder von Neuem und auf neue Weise zu gedenken und aufzuzeigen, wo diese Verbrechen beginnen, nämlich in der Diskriminierung und Herabwürdigung als „anders“ empfundener Mitmenschen. Und in der Gleichgültigkeit der Anderen.

Das Albert-Einstein-Gymnasium dankt Frau Laurenzi sehr herzlich für diese berührende Zeugenschaft, zum ersten Mal an einer Schule in Deutschland. Ebenfalls sehr herzlich bedanken wir uns bei der italienischen Botschaft, vertreten durch Frau Mattiotti, sowie dem italienischen Kulturinstitut, vertreten durch Frau Bertoglio, die uns diese wichtige Begegnung ermöglicht haben.

Zurück